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Ein echtes Geschenk

Unser Stöpselchen hat kurz nach Herbstbeginn (vor allem dem meteorologischen) seinen dritten Geburtstag gefeiert. Wir vertreten bisher bei beiden Kindern ziemlich konsequent eine „ein Geschenk reicht in dem Alter“-Politik, wobei wir tatsächlich die größte Herausforderung finden, dass unsere Kinder aus unserer Sicht mehr als genug Spielzeug haben, es ihnen auch sonst an nichts mangelt und es so viele Menschen gibt, die ihnen etwas zum Geburtstag schenken wollen.

Für das Stöpselchen war das Ergebnis dieser Gemengelage der Entschluss, ihm einen Rucksack zu nähen. Zurzeit hat es den abgelegten Erst-Rucksack des großen Bruders, der niedlich ist, aber nur Pixibücher und einige Autos fasst. Kurz nach dem Geburtstag wollten wir einen großen Familienurlaub antreten, und da fanden wir einen „richtigen“ Rucksack ein sinnvolles und schönes Geschenk.

Ich hatte schon ganz oft im Internet Versionen vom Kindergartenrucksack Rudi von lillesol & pelle bewundert. Fast immer mit aufgestickten Namen, das kommt für mich überhaupt niemals in Frage. Ich liefere keinem fremden Menschen eine Vorlage, mein Kind anzusprechen – genauso, wie ich nie verstehen werde, dass Eltern ihre Autos mit den Namen der Kinder bekleben. Aber gut, anderes Thema. Die Rucksäcke, die ich gesehen habe, waren durchweg bunt, fröhlich, liebevoll genäht und ansprechend. So was wollte ich auch schaffen. Die Schnittteile sind fast alle rechteckig und könnten einfach mit dem Lineal gemessen und ausgeschnitten werden. Trotzdem gibt es als Service echte Schnittteile aus Papier in dem Ebook. Die habe ich alle bereitgelegt und mich dann darangemacht, schier endlos scheinende Mengen an Klappen, Taschen, Teilen und Streifen auszuschneiden. Das Ganze dann auch noch mal aus dicker Vlieseline. Und dann, als ich losnähen wollte, ist mir der eine kleine Satz „Alle Teile enthalten eine Nahtzugabe…“ aufgefallen. Den muss ich beim ersten Lesen übersehen haben. Grrrrrr…..! Ich habe eine Weile überlegt, ob ich jetzt wirklich alle Teile am Rand um je einen Zentimeter beschneide, und habe mich am Ende dagegen entschieden. Die Proportionen stimmen trotzdem, also müsste es passen. Dann ist Rudi eben gewachsen.DSC_1055Als Stoffe hatte ich vier verschiedene Popeline-Muster von Hamburger Liebe ausgesucht, alle mit Orange, Türkis und Pink. Im Nachhinein war das keine besonders geschickte Wahl, weil ich ja gern mehr mit Kramzeugs gemacht hätte: Knöpfe, Aufnähbilder, Ösen, Schleifen oder so. Das wäre aber auf den farbintensiv gemusterten Stoffen völlig untergegangen. Also habe ich mich auf eine große Initiale auf der Klappe beschränkt, eine Paspel in den Klappenverschluss eingenäht und einen schönen Druckknopf gewählt. Mehr ging nicht.DSC_1057Das Nähen fand ich anfangs nicht schwer, auch wenn mich Taschen immer wieder stressen. Durch die rechtwinkligen Teile konnte ich hier sicher sein, exakt den einen Zentimeter Nahtzugabe geschnitten zu haben, den ich an der Nähmaschine dank Markierung sauber einhalten kann. Das hat ziemlich gut geklappt. Trotzdem ist irgendwie der Klappenverschluss eierig geworden.DSC_1058Und die vordere Tasche soll man vorsichtig auf dem Vorderteil aufzeichnen und dann annähen. Das hab ich gemacht, trotzdem habe ich offensichtlich die Ecken so verzogen aufgenäht, dass nachher eine Seite ganze vier Zentimeter höher saß als die andere. Das hab ich dann doch wieder aufgetrennt, so groß ist meine Fehlertoleranz nicht. Schief sieht sie immer noch aus, und die Stichlöcher sind geblieben, aber es ist besser als vorher.DSC_1056Am schlimmsten sieht das Adressfeld auf dem Rückenteil aus. Ich weiß ehrlich nicht, warum sich das so krass verzogen hat, aber es ist vollkommen krumm und schief. Ich habe es mit gutem Gewissen so gelassen. Das betrachte ich jetzt als individuelle Note des Rucksacks, und außerdem ist es am Rücken des Stöpselchens sowieso meist unsichtbar.DSC_1059Meine persönliche Herausforderung kam mit dem Annähen der Vorder- und Rückenteile an die Seitenstreifen. Das muss man zweimal machen, einmal für die Innen-, einmal für die Außentasche. Da steht dann ganz freundlich in der Anleitung, dass man an den abgerundeten Ecken langsam nähen soll, damit keine Falten entstehen. Da kam ich mir veräppelt vor. Wie soll das ohne Falten gehen? Sie waren klein, aber es gab sie. Ich habe echt penibel gesteckt und langsam genäht (und auch hier ab und zu wieder aufgetrennt), aber faltenfrei war nicht zu machen.DSC_1061Erfreulich pannenfrei habe ich die Träger, Gurtbänder und Ringe verarbeitet. Das hat super geklappt, auch meine Nähmaschine ist anstandslos über alles drübergerattert. Und da bin ich auch optisch total zufrieden mit dem Ergebnis. Sicherheitshalber habe ich an allen Stellen, an denen Gurtband vorkam, mit dem Dreifach-Geradstich genäht, damit da auch ja nichts reißt beim robusten Gebrauch.

Den fertigen Rucksack finde ich schön und bunt, aber ich habe das Schnittmuster direkt ins Altpapier geworfen. So viel Fluchen und Frust gehört nicht in ein Hobby, finde ich. Taschen scheinen nicht mein Ding zu sein. Außerdem waren ganz offensichtlich alle Rucksäcke, deren Bilder ich im Internet gesehen habe, ordentlich mit Füllung ausgestopft. Ich habe die dicke, feste Vlieseline eingebügelt, die in der Anleitung angegeben war, trotzdem ist der Rucksack eher wabbelig. Macht mir an sich nichts aus, für einen Kleinkinderrücken ist das unproblematisch, und er fasst alle Habseligkeiten unabhängig von ihrer Form, aber die Fotos haben mir ein anderes Ergebnis suggeriert.DSC_1063Für den großen Bruder hatte ich zum zweiten Geburtstag auch ein großes Nähprojekt mit viel Fluchen abgewickelt; einen Sitzsack-Hund (siehe hier). Dank Rucksack Rudi hat jetzt jedes Kind ein Fluch-Frust-Projekt bekommen, und damit ist gut. Beides waren echte Geschenke, weil mir das Nähen an beiden nicht besonders viel Spaß gemacht hat. Jetzt steige ich wieder um auf Stücke, die beim und nach dem Nähen Freude machen.

Diesen Beitrag musste ich ja nach dem ersten Einsatz des Rucksacks ergänzen. Ich habe dem Stöpselchen ein paar Pixibücher, eine Garnitur Wechselwäsche und ein Auto in den Rucksack gepackt, ihn aufgesetzt und wollte die Gurtbänder ein Stück nachziehen, damit er vernünftig sitzt. In dem Moment sind beide Seiten ausgerissen. Beim Hochheben des Rucksacks noch an einer dritten Stelle.DSC_0007Es haben alle Nähte gehalten, aber die Gurtbänder haben sich in der Naht aufgeribbelt und sind rausgerissen. Vielleicht hätte man das vermeiden können, indem man die Bänder vor dem Einnähen an allen Enden verschmilzt. Das hätte ich aber einen sinnvollen Tipp in der Anleitung gefunden, jetzt bringt mir die Erkenntnis auch nichts mehr. Ich hab herzhaft auf das Scheißteil geflucht, es in einen Stoffbeutel gestopft und mir geschworen, dass ich nie wieder so bescheuerte Projekte nähe. Vielleicht sehe ich das mit etwas Abstand anders, aber einen neuen Rucksack werde ich kaufen statt nähen.DSC_1062

Verlinkt zu Taschen und Täschchen und zu creadienstag, DienstagsDinge und Handmade on Tuesday

6 Kommentare zu „Ein echtes Geschenk

  1. Weißt du was? Ich finde es schade, dass die ganze Arbeit umsonst war. Denkst du, dass vielleicht doch noch was zu retten wäre? Ich finde es gut, dass du darüber schreibst. Rezensionen zu Schnitten sind sonst immer Friede, Freude, Eierkuchen. Das entspricht mit Sicherheit nicht der Realität.

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    1. Hallo Maryme, danke für dein aufbauendes Feedback! Der Rucksack liegt jetzt erst mal in der Ecke, aber ich glaube, mit ein bisschen Abstand werde ich die vier Stellen auftrennen, an denen die Gurtbänder eingesetzt waren, und andere Bänder einsetzen. Er gefällt mir nämlich immer noch gut… Liebe Grüße!

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  2. Wie schade um diesen so schön farbenfrohen Rucksack … und eine Idee von mir … näh doch die Gurtbänder einfach doppelt gelegt mit einem Kreuz auf dem Träger fest, dann musst du nicht trennen und es hält sicher! Mir gefällt er wirklich so gut! Liebe Grüße Ingrid

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    1. Ach Mensch, Ingrid, das find ich mal eine gute Idee! Ich hasse ja Trennen, und wenn ich das an zwei Stellen sparen kann, bin ich immer dankbar. Ein Kreuz fällt auch nicht auf, damit kann ich prima leben. Danke!
      Liebe Grüße, Meike

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  3. Schade, dass der Rucksack dir so viel Ärger bereitet hat. Dabei sieht er so schön aus, dass es schade wäre, ihn nicht nutzen zu können. Vielleicht kannst du ihn mit Ingrids Idee retten.
    Liebe Grüße! Tina

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    1. Ja, die Idee von Ingrid finde ich total gut. Dann müsste ich nur zwei Stellen auftrennen statt vier, spare mir also das Trennen an den Trägern. Damit könnte ich mich sogar anfreunden. Das nehme ich mir mal für die Weihnachts-Freizeit vor. Liebe Grüße!

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