Endlich ist es warm, und damit steht Sommergarderobe auf dem Plan. Auf der Leipziger Buchmesse im Februar hatte ich mir das Schnittmusterbuch „Sommer Outfits zum Selbstnähen“ von Brigitte Büge gekauft, erschienen im Verlag Dorling Kindersley. Bisher war ich wenig motiviert gewesen, da reinzugucken. Jetzt lieferte das Wetter aber einen Grund.
Das Buch bietet etliche Basis-Schnitte, insgesamt eigentlich alles, was man im Sommer unbedingt braucht: kurze Hosen, Röcke, Kleider, Tunikas, Shirts und Tanktops. Eher individuell sind die Stoff-Vorgaben, da hat die Autorin sehr genaue Vorstellungen, wann man Lochstickerei-, Strick- oder Häkelspitzenstoff verwenden soll, und teilweise steht auch in der Anleitung, dass der Schnitt nur für die angegebenen Stoffe gedacht ist. Och, von so was kann ich mich gut freimachen.
Ich habe mir eine Tunika ausgesucht, die laut Buch aus weißer Lochstickerei mit Dreiviertelärmeln genäht werden sollte. Ich wollte aber bei Sommerwärme keine Ärmel, und weiße Lochstickerei ist mit kleinen Kindern einfach Quatsch. Im Stoffregal lagerte schon seit einem Dreivierteljahr ein gestreifter Jersey in Sommerfarben, den ich 2015 im Sommerschlussverkauf gekauft hatte. Den fand ich perfekt.
Ungewohnt war, dass die Anleitung komplett auf eine Nähmaschine abstellte. Inzwischen nähe ich Jersey so gut wie immer mit der Overlock-Maschine. Hier ergab sich das aber wirklich nicht. Das Shirt besteht nur aus Vorder- und Rückenteil zuzüglich einer Halslochblende. Nach der Anleitung sollen zuerst die Schulternähte geschlossen, anschließend die Halslochblende zum Ring genäht werden. Diese Blende ist dann rechts auf rechts gedehnt an den Halsausschnitt zu nähen und danach um die Kante zu legen. An dieser Stelle musste ich die unangenehme Entdeckung machen, dass meine ausgewählte Sorte Jersey zu der Ausnahme gehört, die sich absolut nur in eine Richtung dehnt.
Die Halslochblende hatte ich genau nach Anweisung geschnitten, nämlich mit dem Fadenlauf. In die Richtung dehnte sie sich aber überhaupt kein bisschen. Sie sollte sechs Zentimeter kürzer sein als der Halsausschnitt, das waren bei mir 70 Zentimeter (auf 76 Zentimeter Ausschnitt) plus Nahtzugabe. Diese sechs Zentimeter zu dehnen, war eine richtig fiese Arbeit. Die Dehnung in Fadenlauf-Richtung hatte nämlich zum Ergebnis, dass der Stoffstreifen nicht nennenswert länger wurde, sich jedoch zum Röllchen zusammenzog. Ich war heilfroh, als ich die 70-Zentimeter-Strecke geschafft hatte. Umklappen und Absteppen war dann eine Routine-Aufgabe.
Für die Armlöcher gab es an der Seite eine Markierung; das Schnittteil geht nämlich vorn wie hinten seitlich in gerader Linie hoch. Die Armausschnitte sind nicht am Schnittteil erkennbar. Die Seitennaht wird von unten genau bis zur Markierung geschlossen, die Nahtzugaben dann nach rechts und links flachgebügelt. Das ist die Stelle, an der eine Overlocknaht einen unschönen Übergang bilden würde: Die umgebügelten Nahtzugaben werden nämlich im Armloch einfach weiter umgebügelt und dort nach innen festgesteppt. Das ist mit einer Nähmaschinennaht eine sehr einfache und plausible Variante.
Ich hatte die Markierung unter statt über dem dunkelblauen Streifen gesetzt und gedacht, dass die drei Zentimeter nichts ausmachen. Tun sie doch, wie ich auf dem Foto entdecken musste. Ich sollte beim nächsten Mal unbedingt auf die Angaben der Autorin achten.
Ansonsten bin ich mit dem Shirt sehr glücklich. Es ist bequem, hat einen zu den Seiten großzügigen Ausschnitt, der aber nicht über die Schultern rutscht, sitzt prima in der Länge und trägt sich angenehm luftig. Und es hat sich die Konzentration gelohnt, bei Vorder- und Rückenteil auf passende Streifenhöhe zu achten. Okay, für schwere Grabearbeiten ist es weniger geeignet, da gewährt es ungewollte Einblicke, aber das ist ja auch eine Ausnahmesituation. Zweifellos hat sich das Schnitt-Abpausen gelohnt, davon mach ich noch eins.