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Näähglück-Adventskalender: Windbreaker Ysäri aus Dry Oilskin

Der Windbreaker „Ysäri“ war und ist das letzte Projekt im Näähglück-Adventskalender 2020 – und meine persönliche Herausforderung in Sachen Geduld und Frusttoleranz. Ich hatte schon früh anhand der technischen Zeichnungen meine Stoffe bestellt, und für diese Jacke habe ich Dry Oilskin gewählt. Die Jacke kann mit einem schmalen Teilungsstreifen unterhalb des Reißverschlusses genäht werden, und das wollte ich auch so machen. Für den oberen Teil und den Teilungsstreifen habe ich klassischen „Dry Oilskin“ ausgesucht, für den unteren Teil „Flax/Cotton Dry Oilskin“, das ist deutlich gröber gewebt und viel beweglicher.

Die Anleitung beginnt mit den Eingrifftaschen im Vorderteil. Sie werden im Prinzip genäht wie Paspeltaschen, und ich habe wirklich noch nie im Näh-Leben ein Erfolgserlebnis mit solchen Taschen gehabt. Die Anleitung ist aber sehr ausgiebig bebildert, und ich habe sie so lange angestarrt, bis ich sicher war, es verstanden zu haben. Es hat geklappt! Ich habe erfolgreich eine Tasche genäht und das Stück dann erst mal über Nacht zur Seite gelegt.

Am nächsten Tag habe ich auf die Anleitung nur noch einen Blick geworfen und die zweite Tasche in Angriff genommen. Prompt habe ich es wieder falsch gemacht. Und Dry Oilskin verzeiht keine Fehler, die Nähte sind sauber gelöchert, wenn man sie auftrennt. Da muss man superpenibel auf den vorhandenen Löchern korrigieren, damit das nachher nicht aussieht wie Lochstickerei.

Die nächsten Schritte fand ich nicht so dramatisch; Kapuze zusammensetzen, Rückenteil zusammensetzen, Ärmel zusammensetzen. Das ist eher Fleißarbeit, zumal ich alle Nähte sehr ordentlich abgesteppt habe, damit sich die Nähte innen gut legen.

Danach ging es an die Vorderteile mit Reißverschluss, Untertritt und Belegen. Ich war positiv überrascht, dass Dry Oilskin zwar eher steif, aber dafür kein bisschen rutschig ist und der Reißverschluss tipptopp geklappt hat. Ich wusste nicht so richtig, welche Farbe zu meiner Stoffkombination passt, und habe einen sehr schlichten schwarzen Reißverschluss genommen. Der fällt nun nicht auf und stört nicht.

Vorderteile, Reißverschluss, Belege und Untertritt an Ort und Stelle zu bringen, das lief überraschend reibungslos. Ich habe mich darüber gefreut, wie kooperativ das Material war, und ich glaube, dass ich mir einen Gefallen damit getan habe, einen so schmalen, weichen Reißverschluss einzusetzen.

Vollkommen ausgesetzt hat es bei mir, als es darum ging, den Nackenbeleg einzunähen. Ich kannte bisher keinen Schnitt, der nicht nur einen Vorderteil- und Kapuzenbeleg hat, also eine versäuberte Vorderkante, sondern auch noch einen Nackenbeleg, der mit den beiden verbunden wird. Das ist weder schwer noch unlogisch, aber die Vorgehensweise zum Annähen, die in der Anleitung beschrieben war, ist nicht in meinem Logik-Zentrum angekommen. Ich habe das Nähstück mehrmals gewendet und probiert, den Beleg korrekt anzustecken, und dann habe ich das Teil mit Wuttränen in eine Ecke geschleudert und eine Nacht drüber geschlafen.

Am nächsten Tag habe ich die Anleitung ignoriert, die Jacke auf rechts gewendet und überlegt, wie der Nackenbeleg am Ende aussehen muss. Das habe ich so festgesteckt, die Jacke wieder auf links gedreht und dann alles genäht. Das war auch kein Problem, also lag mein Hindernis eindeutig in fehlender Flexibilität beim Lesen der Anleitung.

Um die Belege festzusteppen, habe ich Wondertape zur Hilfe genommen. Stecken konnte ich ja nicht, weil dann Löcher mitten im Oberteil geblieben wären, und ich war ziemlich sicher, dass mir das Zeug auseinanderrutscht, wenn ich es nur grob aufeinanderlege. Das gesamte Oberteil war dann nämlich doch ganz schön voluminös und unhandlich unter der Nähmaschine. An einigen wenigen Stellen habe ich die Belege mit dem Tape auf der Innenseite fixiert und dann munter abgesteppt – endlich ein Schritt ohne Pannen!

Ich war so froh, dass ich das obere Vorderteil endlich geschafft hatte, dass ich prompt verpennt habe, den Teilungsstreifen vorn anzunähen. Gemerkt habe ich es natürlich erst nach dem Absteppen, als ich mich gewundert habe, dass das Vorderteil so dunkel wirkt. Immerhin trennen sich Nähte in Dry Oilskin gut wieder auf…

Zusammensetzen der Schulternähte war kein Thema, dann folgte das Einsetzen der Ärmel. Das fand ich nicht ohne, weil die Ärmel eine Einhalteweite haben, um die Passform an der Schulter zu verbessern. Wenn der Stoff sich aber null Prozent dehnt, bleibt nur, Fältchen zu legen, und mein Anspruch war, das möglichst gleichmäßig zu tun. Beim zweiten Ärmel saß ich da und dachte: „Hä?“ Das passte kein bisschen. Auf den zweiten Blick habe ich erkannt, dass ich tatsächlich zwei linke Ärmel genäht hatte. Oilskin hat ja nicht erkennbar eine linke Seite, und ich hatte beim Zusammenpuzzlen der geteilten Ärmel einfach nicht hingeguckt.

Diese Anschlusskante war nach dem Auftrennen sauber perforiert: Genäht, mit der Overlock versäubert und abgesteppt. Da haben mir vor Konzentration fast die Augen getränt, so sehr habe ich mich bemüht, diese Loch-Reihen im zweiten Versuch wieder zu treffen. Damit war dann aber das Schlimmste geschafft, es fehlten dann nur noch die Seitennähte und die Gummibänder in den Säumen. Die klappten ohne Pannen.

Die fertige Jacke finde ich superschön. Die Farbe des Trennungsstreifens heißt „lime“, ich hatte mir beim Aussuchen deutlich mehr Grün vorgestellt, aber ich finde, dass auch dieses grünstichige Gelb gut passt. Es ist ungewohnt, eine so feste Jacke über den Kopf zu ziehen, und ich hatte im ersten Moment Sorge, dass sie nicht über die Schultern geht. Aber sie sitzt perfekt.

Ich freue mich tierisch, dass ich am Ende doch alle Frustmomente ausgehalten und die Jacke fertiggenäht habe. Ich kann damit Fahrrad fahren, ohne dass die Handgelenke freiliegen, und ich kann alle alltagsgängigen Bewegungen machen, ohne dass sie an den Schultern oder im Rücken klemmt. Ich glaube, das hatte ich noch bei keiner gekauften Jacke, seit ich ausgewachsen bin. Oder wenn, dann war sie am Oberkörper viel zu weit, weil ich zwei Größen „zu groß“ gekauft hatte.

Schön ist, dass der Stoff des unteren Jackenteils etwas weicher ist. Dadurch bewegt sich die Jacke gut mit. Die oberen Teile habe ich einen Zentimeter länger geschnitten, den Teilungsstreifen auch einen Zentimeter verbreitert und das untere Teil vier Zentimeter länger geschnitten. Bei den Ärmeln habe ich genauso verlängert. Die Jacke sitzt mit dieser Länge bequem genau unter dem Po, und das trägt sich hervorragend. Es rutscht nichts hoch, was ich ständig runterziehen müsste.

Im Ergebnis ist Ysäri für meinen Geschmack ein supertoller Schnitt. Google hatte mir „ysäri“ übrigens mit „Motorhaube“ übersetzt, da konnte ich erst mal keinen Zusammenhang erkennen, aber ich habe dann erfahren, dass „ysäri“ die Vorsilbe für alles ist, was „Neunziger“ beschreibt. Das passt prima, finde ich. Den Schlechtwettertest muss mein Windbreaker noch bestehen, bisher hatten wir seit dem Fertignähen keinen Regen. Aber der ist ja nun für Weihnachten vorhergesagt…

Der Schnitt wurde mir im Rahmen des Probenähens kostenlos zur Verfügung gestellt.

Verlinkt zu Handmade on Tuesday, Dings vom Dienstag und The Creative Lover

10 Kommentare zu „Näähglück-Adventskalender: Windbreaker Ysäri aus Dry Oilskin

  1. Liebe Meike!
    Deine Ysäri ist der absolute Hammer!
    Ich glaube mich hat noch nie vorher ein Kleidungsstück so begeistert wie dieses Teil! Ich liebe solche Windstopper! Der Schnitt steht dir gut und deine Farbkombi ist einfach nur cool! Für mich sieht der Lime-Streifen zwar eher wie ein sonnengelber Streifen aus, aber er passt gut darein uns macht das gewisse Etwas aus! Ich wünsche dir, dass du das Kleidungsstück oft und gerne tragen magst!
    Ich bewundere, dass du dir so viele tolle Sachen genäht hast!
    Liebe Grüße Iggy

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    1. Vielen lieben Dank, Iggy!
      Ja, mir hat die Adventswerkstatt auch Spaß gemacht, aber jetzt freu ich mich auf ein paar schlichtere Kindersachen.
      Und ich freu mich auch darauf, den Windbreaker viel zu tragen.
      Liebe Grüße,
      Meike

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  2. Der Windbreaker sieht wirklich hervorragend aus! Ich habe auch gerade einen zugeschnitten da liegen, kann mich aber nicht aufraffen, ihn nun auch zu nähen…Gut, dass du das getan hast und dich die Pannen nicht an der Fertigstellung gehindert haben. LG Ina

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    1. Liebe Ina,
      wenn ich dein Pensum an anspruchsvollen Webware-Nähwerken leisten würde, wäre mir ein einzelner zugeschnittener Windbreaker herzlich wurscht. Allein die Hosen für deinen Lebensgefährten und der unglaubliche Rucksack…
      2021 ist auch noch ein Jahr!
      Liebe Grüße, Meike

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  3. Diese Jacke finde ich echt klasse. Den Fotos sieht man gar nicht an, dass der Stoff doch etwas steifer ist.
    Lg Iris
    (das mit den zwei linken Ärmel kenn ich .-. hab meinen Mann ein Hemd zu Weihnachten genäht und wie er es anprobiert hat, waren die Manschettenöffnungen auf einmal innen. Uäuh. Ans Auftrennen hab ich mich noch nicht gemacht. Das macht einfach keinen Spass.

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  4. Was für eine Leistung, dass du durchgehalten hast und ich würde diese Kombi aus Farben und Stoffen sicher auch lieben und ich hasse nichts mehr, wie wenn Pullis oder Jacken beim Radeln die Handgelenke oder den Buckel freilegen. Auch die anderen Sachen aus dem Adventskalender sind dir echt gut gelungen (Hosen nähen ist ja sauschwer), aber dieser Jackenpulli ist mein Favorit! Liebe Grüße Ingrid

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