Kindersachen

Ein Tag im Rosa-Hellblau-Zweifel

Ich finde, dass die meisten Babys im ersten Lebensjahr einfach nach kleinem Menschen aussehen. Wenn man Kleidung, Haarspangen und Accessoires wie rosa Kinderwagen wegdenkt, kann man den meisten ihre Geburtsausstattung nicht ansehen. Unser erster Sohn wurde bis zum ersten Geburtstag fast überall als „die Kleine“ betitelt, weil er blonde Löckchen und bunte Kleidung hatte. Mit dem dritten habe ich im Urlaub mal ein Experiment gemacht:

Ich habe ihn einen Tag lang in ein Fragezeichen-Outfit gesteckt – einen hellgraublauen Raglanbody (Schnitt Ilo von Näähglück) und eine altrosa Hose aus Bio-Stoffonkel-Musselin (Schnittmuster Sommerverpackung von Näähglück). Und dann habe ich abgewartet, ob da Kommentare kommen.

Gut, das Experiment war ein bisschen erschwert dadurch, dass ich mich im Urlaub gern auf meine Familie konzentriere, eher nicht auf der Suche nach neuen Kontakten bin und deshalb nur dann Konversation mit Fremden pflege, wenn ich die ehrlich sympathisch finde. Also meist hauptsächlich Höflichkeit und Small-talk. Letzteres reichte aber schon für ein klares Ergebnis. Mit einem rosa Kleidungsstück wird ein Kind schlagartig zu „die Kleine“. Da könnte selbst die Windel blau sein, das zählt dann wohl nicht mehr.

Ich würde mich in einem Kulturanthroposophie-Studium zu Tode langweilen, aber als einzelne Tatsache wüsste ich doch gern, wann und warum Rosa so einen Schlag weggekriegt hat und weshalb Blau für alle Kinder okay ist. Ich mag die rosa Hose, der Stoff hat eine tolle Qualität und sie kombiniert sich gut. Das Stöpselchen schert sich noch nicht um falsche Kategorien, es guckt nur nach Lächeln-oder-nicht-Lächeln beim Gegenüber. Das lassen wir doch am besten möglichst lange so…

Verlinkt zu Menschen(s)kinder, Freutag, Nähzeit am WE und The Creative Lover

8 Kommentare zu „Ein Tag im Rosa-Hellblau-Zweifel

  1. Ja, ich glaube das Experiment lässt sich so überall reproduzieren, leider. Mein Sohn hat auch mal für eine sehr kurze Phase rosa getragen, weil er es mochte (ich mag es nämlich nicht und deshalb kaufe ich auch nie solchen Stoff). Dann ging es gar nicht mehr, weil es ihm nicht gefiel, er sagte immer „gescheite Farben“ und meinte damit kräftige Farben, das mag er bis heute.
    LG Ingrid

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    1. Och, wenn das Kind Rosa nicht mag, ist doch alles okay. Das ist ja die Hauptsache, dass das Kind entscheidet. Mich stört ja nur, wenn andere Kinder entscheiden, was meine anhaben dürfen. Und Rosa ist wohl für jeden Menschen Geschmackssache, oder?
      Liebe Grüße!

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  2. Also meine Tochter hat eine rosa Fleecejacke mit Sternen, darin wurde sie im ersten Lebensjahr aber regelmäßig als Junge angesprochen, sobald ich ihr dazu Hosen in blau mit „Jungsmotiven“ angezogen habe. Anscheinend sind Feuerwehr und Bären da sogar noch entscheidender als rosa.
    Vielleicht machst du dazu auch noch ne Studie 😉
    Mich nervt dieses Schublade auf Denken immer total. Wichtig ist doch, dass die Kinder sich wohl fühlen. Und die Hose sieht einfach nach „genau richtig“ für heiße Tage aus.
    LG, Verena

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    1. Echt? Das ist ja überraschend. Sterne sind ja nicht automatisch Jungs-Motive, ich hätte nie erwartet, dass Menschen ein Kind in rosa Fleece als Jungen einordnen.
      Im Genervtsein sind wir uns aber einig!
      Viele liebe Grüße, Meike

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  3. Spannend und traurig zugleich, wie schnell da Kategorisiert wird. Ich habe jetzt neulich ungeplant eine ähnliche Situation gehabt. Mädel trug blau-weiße Hose mit grün-blauem Body. Also ‚voll Junge‘. Dazu aber eine Mütze in beige mit rötlichen Kirschen. Also ‚voll Mädel‘. Sie wurde da dann ‚richtig‘ als Mädel angesprochen. Bei gedeckten Farben an der Kleidung und einer blauen Mütze wurde sie kurz davor dann als Junge angesprochen. Ich hab es auf die Farbe direkt am Kopf bezogen, aber bei deiner tollen Hose trifft diese Behauptung dann ja nicht zu.
    Mir kam neulich zu Ohren, dass ursprünglich die Farben genau andersherum den Geschlechtern zugeordnet waren und irgendeine bekannte und nicht sehr konservative Mutter hat den Spieß umgedreht und seitdem trägt der Junge blau und das Mädchen rosa. Woher das jetzt stammt, weiß ich leider nicht mehr…
    Liebe Grüße

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    1. Das mit dem Umgekehrt stimmt, aber warum sich das geändert hat, dazu gibt es verschiedene Theorien. Ich hab mal gelesen, dass die Umkehrung zu einer Zeit erfolgte, als die Kindersterblichkeit noch höher war und die Menschen noch eher an Teufel & Co glaubten. Durch die vertauschten Farben sollten die bösen Geister in die Irre geführt werden, von denen man glaubte, dass sie ebenso wie die Menschen damals männliche Babys als wertvoller betrachteten als weibliche (so dass auch der Tod eines Jungen schlimmer war als der eines Mädchens). Also dass die Geister dann eher die rosa gekleideten Kinder holen würden, weil sie darin einen Jungen vermuten würden und die blau gekleideten in Ruhe ließen.
      Und wenn das stimmen würde, wäre die rosa-blau-Zuordnung noch viel schlimmer als sie eh schon ist. Aber eigentlich müssten die Leute vor 100 Jahren (da galt wohl auch noch rosa für Jungs und hellblau für Mädchen) da schon weiter gewesen sein, so dass der Erklärungsansatz vermutlich auch eher in den Bereich der modernen Legenden fällt.
      In jedem Fall eine interessante Frage, wie es dazu kam.
      Liebe Grüße!

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      1. Danke für den Erklärungsansatz, Victoria! Das finde ich leider sehr plausibel…
        Egal, woher es stammt: Ich kann mir leider nicht vorstellen, dass sich die Farbklischees in den nächsten 100 Jahren aufweichen lassen. Schade!

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    2. Ja, dass die Farben früher anders belegt waren, ist Fakt. Könige haben Rot getragen, die Prinzen deshalb die etwas weichere Farbe Rosa. Königinnen tragen heute noch meist Blau (deshalb „Royalblau“), Prinzessinnen dann entsprechend Hellblau. Auch die Jungfrau Maria ist fast immer in hellblauen Gewändern abgebildet. Wann und wie das umgeschlagen hat, weiß ich aber eben nicht verlässlich.

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