Kindersachen

Walkanzug mit Lernerfolg und Potenzial

Mitte Januar musste ich mit großem Bedauern feststellen, dass das Stöpselchen nicht mehr in den wunderbaren gelben Merinowalk-Anzug passt, den ich ihm im Herbst genäht hatte. Das war damals ordentlich auf Zuwachs gewesen, aber bis Februar wuchs das Stöpselchen kontinuierlich einen knappen Zentimeter pro Woche, und da halten die Sachen nun mal nicht lange. Mit dieser ernüchternden Erkenntnis wollte ich dem Baby nun einen neuen Anzug nähen, aber für den Stoff nicht wieder so tief in die Tasche greifen. Für so wenige Wochen ist das einfach schade drum.

Der Jolly Jumper von Lybstes hatte mich für ein Tragekind nicht vom Hocker gehauen, vor allem weil der Schritt ziemlich tief sitzt und die Beine dann nicht lang genug sind. Den wollte ich deshalb nicht wiederholen und habe eine Alternative in der Herbst-Ottobre 2017 gefunden. Der Anzug dort ist eigentlich für Nicki ausgelegt, aber ich habe mir zugetraut, ihn für meine Zwecke (Wollwalk) umzuwidmen. Im Original soll er so aussehen:

In diesem Fall kommt mir ja zugute, dass die Ottobre-Sachen immer so lang und weit sind. Ich habe die Teile also einfach aus Walk geschnitten, ohne sie breiter zu machen. Bündchen an Armen und Beinen wollte ich nicht, also habe ich die Ärmel und Beine um die Bündchenlänge und drei weitere Zentimeter für einen Gummitunnel verlängert. Die Kapuze habe ich sicherheitshalber ein ganzes Stück vergrößert. Eine zu kleine Kapuze ist ärgerlicher als eine zu große. Da war ich allerdings etwas zu großzügig, die sieht jetzt aus wie ein roter Schlumpf.

Im Liegen ist es besser, da steht die Kapuze nicht so ab, aber das Stöpselchen liegt ja fast nie. Außer nachts, und da nicht im Anzug…

Die Raglan- und die Kapuzennähte habe ich von innen gecovert, weil ich den rot-schwarzen Kontrast schön fand. Da habe ich erstaunlich gut getroffen, das hätte ich aus Walk nicht erwartet.

Das Grundgerüst des Anzugs ist wirklich kein Hexenwerk, aber mit Einfassung und Reißverschluss musste ich eine Weile nachdenken. Ich wollte nämlich die Reißverschlussstrecke mit Wolltresse einfassen, damit ich den Reißverschluss einfach dahinternähen kann. Nach mehreren Denkpausen habe ich die Nahtzugabe auf der Reißverschlussstrecke abgeschnitten, am Ende ein Dreieck stehen lassen, die verbleibende Strecke normal genäht und den Übergang sicherheitshalber verriegelt. Das hat besser geklappt als befürchtet.

Von der Wolltresse war ich positiv überrascht, die verarbeitet sich sehr schön. Das ist so eine Art Schrägband aus Wolle, aber eher gestrickt wie ein Gitter und relativ weich. Für den Gesichtsausschnitt der Kapuze wollte ich aber gern einen glatteren Stoff und habe Bündchen verwendet. Das Schnittmuster in der Ottobre sieht kein Kapuzenfutter vor. Klar, bei Nicki braucht man das auch nicht. Ich fand es bei Walk aber unverzichtbar. Außerdem habe ich dem Reißverschluss eine Garage verpasst, damit am Kinn nichts kratzt.

So weit zu den Schritten, bei denen ich das Gefühl hatte, dass ich schon ganz schön viel gelernt habe und mir zutraue, mal etwas frei Hand zu ändern.

Dann kam aber der Nackenbeleg aus Jersey. Ich wollte so einen gern annähen, weil ich mir Walk im Nacken tierisch kratzig vorstelle. Ich habe also die Kapuzen-Unterkante zur Orientierung verwendet und dann nach Nase einen halbrunden Beleg ausgeschnitten. Dabei war mir schon klar, dass das irgendwie schwierig wird, einen runden Beleg in einen Raglananzug einzupassen. So war es auch. Das passt überhaupt nicht. Ich habe den Beleg mit ein paar Längsstichen in der Rückennaht fixiert und dann seufzend so lange kleiner geschnitten, bis er nicht mehr spannte.

Nachdem ja nicht mehr viel davon übrig war, habe ich ihn per Hand an die Nahtzugabe der Walk-Kapuze genäht, damit die nicht immer hervorkriecht. Wieder was gelernt: Belege selbst bauen ist nicht meine Kernkompetenz!

Toll an dem Anzug finde ich, gerade für ein Tragekind, den riesigen Zwickel. Und, was ich mir mal merken will: Die Ottobre sieht ihn aus Bündchenware vor. Das will ich bei anderen Schnitten mal ausprobieren. Hier fand ich den Kontrast zwischen dem sehr festen Walk und einem weichen Bündchenstoff zu groß.

An den Ärmeln habe ich am Ende auf die Gummizüge verzichtet, das wäre zu eng geworden. An den Beinen habe ich aber welche eingezogen und kriege die Füße da gerade so durch. Bei den ersten Test-„Läufen“ waren die Babybeine superschön warm.

Mit dem Anzug bin ich ganz zufrieden, mit dem Schnitt auch. Das Einzige, was mich immer noch kolossal ärgert, ist die elende Leih-Nähmaschine, die immer noch die Reparatur-Wartezeit überbrückt. Am Zwickel klaffen die Stoffschichten von außen zwei Millimeter auseinander, in denen man die Fadenleiter sieht. Daraufhin habe ich den ganzen Zwickel noch mal mit Dreifach-Geradstich nachgenäht, damit das Teil richtig stabil sitzt. Hätte ich mir komplett sparen können, der Abstand ist der gleiche geblieben. Nur ist die Leiter jetzt dicker. Ich will meine Nähmaschine zurück!!!

Verlinkt zu Menschen(s)kinder, The Creative Lover

10 Kommentare zu „Walkanzug mit Lernerfolg und Potenzial

    1. Hallo Iris! Der Anzug ist der einzige Wermutstropfen daran, dass dieser Februar so warm ist. Ich kann ihn schon nicht mehr anziehen, und da wir gerade von 74 auf 80 wechseln, sehe ich für den Herbst schwarz. Wir warten jetzt einfach auf ein Baby im Freundeskreis. Irgendwann wird wohl jemand eins kriegen. Und das wird dann mit den ganzen kaum getragenen Sachen beglückt…
      Liebe Grüße,
      Meike

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  1. Liebe Meike!
    Da hast du deinem Stöpselchen einen tollen Anzug gezaubert! Und deine Schilderungen zum Näherfolg und zu deinen Gedanken machen richtig Spaß zu lesen! Das geht mir übrigens regelmäßig so! Ich wünschte, ich hätte auch so eine Ausdauer, dass alles noch zu verschriftlichen!
    Liebe Grüße Iggy

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