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Die mistigste Anleitung aller Zeiten

Bei einer Makerist-Aktion vor einer Weile hatte ich mir das Ebook „Tetrands filius“ von Elfriede und Fridolin gekauft. Ich fand (und finde) es ziemlich lässig, und besonders gereizt hat mich die Kapuze im Kragen, die man hinter einem Reißverschluss versteckt.

Letzte Woche habe ich mich ans Werk gemacht, den Schnitt ausgeschnitten und wollte ganz motiviert auch gleich zwei Sets Schnittteile produzieren: Einmal in größtmöglich für eine Freundin, einmal in Größe 122 für den kleinen Stöpsel. Ich habe brav das gesamte Ebook vor dem Nähen gelesen. Das mache ich nicht oft, aber nachdem extra am Anfang stand, dass die Variante mit Kapuze im Reißverschluss-Kragen nur etwas für Fortgeschrittene ist, hielt ich die Lese-Zeit für gut investiert. Gestört hat mich schon mal, dass das Ebook weder Angaben zum Stoffverbrauch noch eine Schnittliste enthält. Wann man welche Teile braucht oder eben auch nicht, ergibt sich nur aus sehr peniblem Lesen der Anleitung. So, und außerdem hab ich das Ebook nicht verstanden. Ich hatte nach der Lektüre keine Ahnung, wie das mit Kragen und Kapuze gemeint ist. So schwer kann das ja aber nicht sein, also habe ich mal alles zugeschnitten, was da geboten war: Vorderteile, Rückenteil, Ärmel, Taschenteile, Eingriffstreifen, Untertritt, Kapuzenteile, einen Kragen und Ärmelbündchen.

Angefangen habe ich mit dem kleinen Pullover, weil mein kleiner Stöpsel Fehler eher verzeiht als ich mir selbst bei dem zu verschenkenden Pullover für meine Freundin. Ich habe das Vorderteil aus vier Stücken zusammengesetzt, um dem Namen „Tetrands“ Ehre zu machen, und habe ein großes „Der kleine Drache Kokosnuss“-Motiv aus einem Rest-Lillestoff-Coupon aufgenäht. Vliesofix war ausgegangen, ich habe also nur mit Vlieseline hinterbügelt und dann frei aufgesteppt. Das hab ich mal wirklich sorgfältig gemacht. Hoffentlich hält es die häufigen Wäschen aus!appli.jpgDann folgten Tascheneingriffe, Ärmel ans Rückenteil und der Kragen-Reißverschluss. Der wird auf die Strecke Ärmel-Rückenteil-Ärmel gesteppt. So weit alles klar. Jetzt kam das erste Ärgernis. Das Vorderteil sollte an das bestehende Werk gefügt werden, und in der Anleitung steht: „Du wirst sehen, dass das Vorderteil ein Stück länger ist als das Rückteil.“ Es soll nämlich so lang sein wie das Rückenteil plus der Reißverschluss, damit die Oberkanten sauber aufeinandertreffen. Pustekuchen! Ich hatte echt sorgfältig zugeschnitten, aber es ergab sich überhaupt kein bisschen Versatz. Ein Zentimeter mit Dehnung vielleicht, aber definitiv nicht die zweieinhalb, die es laut Anleitung hätten sein müssen. Und so grobmotorisch bin ich nicht, dass ich mich derart verschnitten hätte. Das hat mir schon mal eine ordentliche Scheibe Motivation abgeschnitten, dass der Reißverschluss nun irgendwie krumm nach unten enden musste, um nicht über das Vorderteil hinauszuragen.

Egal, weiter im Text. Seitennähte schließen, die leichteste Übung, und an der Stelle ist im Ebook empfohlen, die Tascheneingriffe zu verstärken. Dafür habe ich die Rolle Snap Pap rausgeholt, die schon in der Geschenkpapierkiste einstaubte, und mich mal daran versucht. Das macht Lust auf mehr, muss ich sagen. Sieht gut aus und verarbeitet sich vollkommen harmlos. Ich war fast mit dem schiefen Reißverschluss versöhnt!

Ich wollte nur einen (leeren) Kragen mit Reißverschluss nähen. Kapuzensachen sind im Winter eigentlich unpraktisch, weil das Kind dadurch eine Wulst unter der Winterjacke hat. Einen kuscheligen Kragen mit dem Reißverschluss als Hingucker fand ich aber nett. Dafür sollte ich nun den Untertritt an den Reißverschluss nähen, glaube ich. Wurde aber nicht ganz klar. Die Anleitung wechselt hier auf ein anderes Kleidungsstück, bei dem Reißverschluss und Untertritt Rosa in Rosa sind, während das Hauptteil aus unruhigem grauem Strickstoff besteht. Das ist optisch unglücklich gewählt. Ich konnte absolut nicht erkennen, was hier wie aneinandergenäht werden soll, und die Hinweise zur Anleitung („Achte dabei auf…/Achte darauf, dass…“) erschlossen sich mir auch nicht. Ich habe deshalb stumpf nach der Textanleitung genäht. Bis an die Stelle: „So sieht es bis hierhin aus, wenn du deinen Tetrands wendest.“ Nee. Da konnte ich zweifelsfrei erkennen, dass es nicht so aussah, wie es sollte.

Als dann plötzlich die Rede von Außenkragen und Innenkragen war, ich aber mangels Schnittliste nicht mal gewusst hatte, dass zwei Kragenteile zugeschnitten werden müssen, habe ich das gesamte Teil, so wie es war, in den Stoffmüll geschmissen. Ich bin keine blutige Anfängerin und auch nicht doof, aber die Anleitung ist so schlecht bebildert und so unbegabt formuliert, dass ich keine Chance hatte, dahinterzusteigen.

Der Stöpselpapa hat den Pulli gerettet, und zwar mit dem nicht zu widerlegenden Argument: „Wenn Kokosnuss drauf ist, zieht er alles an. Ist doch egal, wie der Kragen aussieht!“ Damit hat er eindeutig recht. Ich habe folglich entschieden, das Miststück so zu lassen, habe den Kragen oben nur einmal umgeschlagen und den freistehenden Reißverschluss einfach drangelassen.dsc_0586Das hätte ich tatsächlich im Alltag so toleriert. Der Kopf des kleinen Stöpsels passte aber nicht durch. Auf der gesamten Reißverschlusslänge ist der Kopfausschnitt nicht mehr dehnbar, und damit hatten wir verloren. Ich habe nach dem Anprobieren fünfzehn sehr befriedigende Minuten damit verbracht, die bescheuerte Kragenkonstruktion abzutrennen und ein klassisches Halsbündchen anzunähen. Der kleine Stöpsel ist selig mit dem Endprodukt.

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Nun liegt aber immer noch der zugeschnittene Pullover für meine Freundin da. Mit ein paar Tagen Pause kann ich mich vielleicht überwinden, es noch mal zu probieren. Dann aber ohne Anleitung und rein nach Logik. Schlimmer kann das auch nicht werden.

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4 Kommentare zu „Die mistigste Anleitung aller Zeiten

  1. Hallo, danke für deinen ehrlichen Bericht! Es gibt einfach so viele echt mistige Anleitungen auf dem Ebook-Markt und man liest für meine Begriffe viel zu selten kritische Stimmen darüber. Lieben Gruß – und der Pulli ist trotzdem wirklich schön geworden – was dann für Deine Nähkünste spricht! Karin

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    1. Danke, Karin!
      Ich hatte bisher noch nie eine Anleitung, bei der ich so sicher war, dass ich mich nicht einfach zu blöd anstelle. Und ich war zusätzlich frustriert, weil ich vor meinem inneren Auge so ein schönes Ergebnis gesehen hatte und mich davon verabschieden musste. Aber danke für das Lob zum Ergebnis! Liebe Grüße, Meike

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  2. Uff, wie blöde! Schlecht gemachte Anleitungen können mich auch regelrecht in Rage versetzen, besonders, wenn der Stoff schon zugeschnitten ist. Ich drücke die Daumen, dass Du ohne Anleitung den Stoff doch noch in einen schönen Pulli verwandeln magst!
    Auf den Pulli Deines Sohns wäre meiner ganz und gar neidisch, den zeige ich ihm lieber nicht. 😉

    Liebe Grüße
    Maike

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    1. Danke, Maike! Ist dein Sohn auch Kokosnuss-Fan? Ich bin immer wieder froh, dass es nicht Star Wars oder Ninja Turtles ist – mit Kokosnuss kann ich prima leben! Dass die Anleitung so schlecht ist, fand ich vor allem deshalb erstaunlich, weil da ziemlich viele versierte Bloggerinnen als Probenäherinnen aufgeführt sind und ich gedacht hätte, dass die Anleitung beim Probenähen auch kommentiert und verbessert wird. Das hat mich so lange zweifeln lassen, ob ich mich einfach nur blöd anstelle. Liebe Grüße, Meike

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